Klimaneutral leben ist möglich, schon jetzt!

Klimaneutral leben ist möglich, schon jetzt!

Eine Selbsterfahrung - Interview von Elke Fuchs mit Dietmar Kanatschnig

Dietmar Kanatschnig war 35 Jahre lang im Bereich Nachhaltige Entwicklung und Klimavorsorge wissenschaftlich tätig, hat Verwaltung, Politik und Wirtschaft beraten. Jetzt, in der Pension, hat er mit der Evangelischen Pfarrgemeinde Gallneukirchen die „Initiative Gutes Leben in Verantwortung“ gestartet und hält Vorträge für Fridays for Future-AktivistInnen. Elke Fuchs sprach mit ihm, wie er selbst sein Leben auf Klimavorsorge umgestellt hat.

EF: Lieber Dietmar, wir führen dieses Interview, weil du gesagt hast, dass du seit heurigem Sommer klimaneutral lebst. Wie ist das möglich?

DK: Der entscheidende Wendepunkt war der Austausch der voll funktionsfähigen Ölheizung durch eine mit Ökostrom betriebene Luft-Wärmepumpe. Damit konnten wir 2,5 Tonnen CO2 pro Person und Jahr einsparen, den größten Brocken der persönlichen CO2-Bilanz.

EF: Das ist schon mal eine Menge und klingt nicht schlecht! Aber zum klimaneutralen Leben gehört ja mehr!

DK: Ja, auf jeden Fall! Ich habe auch im Rahmen der „Initiative Gutes Leben in Verantwortung“ immer wieder darauf hingewiesen, dass es vor allem 6 Bausteine sind, die dazu beitragen, die persönliche CO2-Bilanz entscheidend zu verbessern. Alle diese 6 Bausteine, von der Umstellung auf Ökostrom, Ausstieg aus fossiler Mobilität und fossiler Heizung, Verzicht auf Flugreisen und Rindfleisch sowie Ressourcen sparsameren Konsum, haben wir nun in der Familie umgesetzt. Ernährung und Konsum bleiben allerdings Dauerbaustellen.

EF: Im Durchschnitt erzeugt jeder Österreicher und jede Österreicherin gegenwärtig 10 Tonnen CO2 pro Jahr. Wieviel sind es nun bei dir?

DK: Laut CO2-Rechner des Deutschen Umweltbundesamtes beträgt mein CO2-Rucksack aktuell 3,8 Tonnen. Dies ist aber immer noch zu viel, das Ziel sind 2 Tonnen. Erst wenn wir alle bis 2030 diesem niedrigen Wert erreichen ist es möglich, die Erderwärmung bei maximal 1,5 Grad zu begrenzen und damit sich selbst verstärkende Klimaveränderungen, die die Lebensgrundlagen der menschlichen Zivilisation unwiederbringlich gefährden, abwenden zu können.

EF: Wie kommst du trotz dieser 3,8 Tonnen CO2 zu der Aussage, dass du seit dem Sommer klimaneutral lebst?

DK: Die Frage ist mehr als berechtigt! Klimaneutral leben bedeutet, die 2 Tonnen-Grenze an CO2 nicht zu überschreiten. Ich gehe da noch weiter und sage, mein Leben hat erst dann keinen Einfluss auf das Klima, wenn ich auch diese 2 Tonnen noch irgendwie verhindern kann. Das schafft man allerdings nicht durch Umstellung von Strom, Technologien und Lebensgewohnheiten alleine, sondern nur dadurch, dass diese Umstellungen durch sogenannte Kompensation begleitet werden. Kompensation bedeutet in diesem Fall, dass jene CO2-Menge, die ich noch pro Jahr erzeuge, ausgeglichen wird durch die finanzielle Unterstützung von Projekten, die genau diese Menge an CO2-Ausstoss irgendwo anders auf der Welt reduzieren. Es ist eine Art freiwillige und zweckgebundene CO2-Steuer. Konkret: Für die knapp 4 Tonnen CO2, die ich noch pro Jahr verursache, habe ich für heuer 92 Euro, also 23 Euro pro Tonne bei www.klima-kollekte.at eingezahlt. Dieser kirchliche Kompensationsfonds fördert mit den eingenommenen Geldern Klimaschutzprojekte, die nicht nur die CO2-Emissionen verringern, sondern darüber hinaus auch die lokale Bevölkerung in Ländern des globalen Südens unterstützen und Armut vor Ort mindern, in dem sie Frauen stärken, Gesundheit schützen und Perspektiven ermöglichen. Beispiel für ein derartiges Projekt sind energiesparende Herde für Bangladesch. Sie benötigen 70–80 Prozent weniger Feuerholz beim Kochen. In den nächsten sechs Jahren sollen 3.400 davon im Projektgebiet verteilt werden. Jeder Herd spart 3,27 t CO2 im Jahr ein. Unabhängig davon arbeite ich aber natürlich weiter daran, das 2 Tonnen-Ziel möglichst bald zu erreichen.

EF: Kannst du uns einen Überblick geben, was du bisher getan hast, um rund 6 Tonnen CO2 einzusparen und damit auf die 3,8 Tonnen CO2 pro Jahr herunter zu kommen?

DK: Begonnen hat es schon vor vielen Jahren mit der Umstellung auf Ökostrom. Eine große Baustelle war dann die Umstellung bei der Mobilität. Zunächst konnten wir in meiner Familie von den 2 beruflich bedingten Autos durch bessere und abgestimmte Planung von Terminen und Orten auf ein Auto verzichten. Dadurch haben wir nicht nur CO2, sondern auch Kosten in Höhe von rund 400 Euro pro Monat eingespart. Wie dann die Elektroautos mit größerer Reichweite auf den Markt gekommen sind, haben wir dieses fossile Auto durch ein elektrisches ersetzt. Es hat eine tatsächliche Reichweite von 280 km und erfüllt gemeinsam mit den anderen Mobilitätsbausteinen von zu Fuß gehen, öffentlichen Verkehr nutzen und e-bike fahren alle unsere Mobilitätsbedürfnisse.

EF: Welche CO2-Ersparnis war mit dem Umstieg auf das Elektroauto verbunden?

DK: Wenn man alles mit berücksichtigt, auch die anfallende CO2-Menge bei der Herstellung der Autobatterie, sind es bei 18.000 Jahreskilometer rund 3 Tonnen CO2, also 1,5 Tonnen pro Person.

EF: Und die weiteren Einsparungen?

DK: Der im Sommer durchgeführte Austausch der Ölheizung durch eine Luft-Wärmepumpe war mit der größten Ersparnis, nämlich 2,5 Tonnen CO2 pro Person und Jahr verbunden. Ein Verzicht auf Flugreisen führte zu keiner Entlastung, da wir seit Jahren nicht mehr geflogen sind. Gestrichen haben wir allerdings noch zwei unserer Traumziele, die nur mit dem Flugzeug erreichbar gewesen wären. Wir sind gerade dabei, Züge und Busreisen für unsere nächsten Urlaubsziele zu sondieren. Eine Dauerbaustelle hingegen bleiben Ernährung und Konsum. Da haben wir zwar schon viel erreicht, sind aber ständig auf der Suche nach weiteren Möglichkeiten. Der Verzicht auf Rindfleisch und die Verringerung des übrigen Fleischkonsums sind mir anfänglich zwar schwer gefallen, inzwischen aber zur Selbstverständlichkeit geworden. Eine Niederlage hingegen habe ich beim Vorhaben erlitten, auf Butter, die doppelt so klimaschädlich ist wie Rindfleisch, zu verzichten. Keine der Alternativen konnte überzeugen, so blieb nur der Versuch, mit weniger Butter auszukommen. Bleibt schließlich noch der Konsum. Hier versuche ich, möglichst Ressourcen schonend zu leben und die Konsumartikel möglichst lange zu nutzen. Dies schließt Reparaturen und Bevorzugung von Second-Hand-Ware logisch mit ein. Momentan ist die gemeinschaftliche Nutzung einzelner Produkte im Rahmen unserer Nachbarschaft ein großes Versuchsfeld.

EF: Wie haben sich all dies Umstellungen und Veränderungen auf deine Lebensqualität ausgewirkt?

DK: Es war eine der interessantesten Erfahrungen, dass die Lebensqualität in keiner Weise beeinträchtigt wurde, sondern ganz im Gegenteil deutlich spürbar angestiegen ist. Die Umstellung im Mobilitätsbereich war verbunden mit mehr Bewegung in der frischen Luft, mehr sozialen Kontakten, gleiten statt hetzen. Die neue Luft-Wärmepumpe ist wesentlich leiser als die alte Heizung, geruchsfrei und im Sommer auch für die Kühlung des Hauses einsetzbar. Die unbequemen Flugreisen waren sowieso nie mit Lebensqualität verbunden, sodass ein Verzicht darauf nicht wirklich schwer fällt. Die viel ausgewogenere Ernährung hat sich auf Gesundheit und Wohlbefinden spürbar positiv ausgewirkt. Und den Ressourcen schonenden Konsum erlebe ich inzwischen als täglichen bewussten Einsatz für eine lebenswerte Zukunft. Insgesamt ist es ein wirklich gutes Gefühl, klimaneutral zu leben und damit einen wichtigen persönlichen Beitrag zur Sicherung der Lebensgrundlagen für uns, unsere Kinder und künftige Generationen zu leisten. Gutes Leben in Verantwortung hat Bodenhaftung bekommen.

EF: Dietmar, ich danke dir für dieses Gespräch, wünsche dir noch viel Kraft und Erfolg für den eingeschlagenen Weg und freue mich schon auf deine Erfahrungen und Inputs bei den nächsten Treffen der „Initiative Gutes Leben in Verantwortung“!

Quelle: JW / Dietmar Kanatschnig

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