Ernährungssouveränität Österreichs durch Klimawandel und Bodenverbrauch massiv gefährdet

ÖHV-Vorstandsvorsitzender Dr. Kurt Weinberger, AGES-Studienautor Dr. Andreas Baumgarten, LKÖ-Generalsekretär Dipl.-Ing. Ferdinand Lembacher

Laut einer AGES-Studie werden in den nächsten Jahrzehnten die Hauptanbaugebiete bis zu 50 Prozent der Produktion einbüßen

(Österreichische Hagelversicherung, 10. Oktober 2019): „Der Klimawandel bringt Missernten bzw. mangelnden Ertrag mit sich und erhöht die Wahrscheinlichkeit von Massenmigration und globaler Instabilität. Gleichzeitig kommt es durch den Bodenverbrauch zu einem Verlust der Produktionsgrundlage. Daher muss es das oberste nationale Ziel sein, den Klimawandel zu bremsen, die Lebensgrundlage Boden zu erhalten und nicht durch Verbauung zu zerstören. Andernfalls gefährden wir massiv die Selbstversorgung Österreichs. Hier herrscht jedenfalls Handlungsbedarf!“, so der eingehende Appell vom Generalsekretär der Landwirtschaftskammer Österreich, Dipl.-Ing. Ferdinand Lembacher, dem Autor der AGES-Studie „Bodenbedarf für die Ernährungssicherung in Österreich“, Dr. Andreas Baumgarten, und dem Vorstandsvorsitzenden der Österreichischen Hagelversicherung, Dr. Kurt Weinberger.

Laut der präsentierten Studie (im Auftrag des BMNT) ist in Österreich im Extremfall mit einem durchschnittlichen Temperaturanstieg von bis zu 6°C bis zum Jahr 2080 zu rechnen. Das führt naturgemäß auch zu einer Verschiebung der Regenmenge, worunter vor allem der Osten Österreichs zu leiden haben wird. Die damit einhergehende Konsequenz wird eine teils deutliche Unterversorgung bei fast allen landwirtschaftlichen Kulturen sein. Das ist den österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten gar nicht bewusst, weil die Regale voll sind (und durch die weltweite Produktion und den Import bleiben werden), auch wenn immer weniger in Österreich produziert wird.

Baumgarten: Studie belegt einen massiven Ertragsrückgang durch Klimawandel und Bodenverbrauch

Im Auftrag des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT) wurde im Projekt „Bodenbedarf für die Ernährungssicherung in Österreich (BEAT)“untersucht, ob durch heimische Produktion eine ausreichende Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten auch in Zukunft gewährleistet ist. Die alarmierenden Ergebnisse: Aufgrund der Klimaänderung geht der Ertrag in der landwirtschaftlichen Produktion, insbesondere im Osten und Südosten Österreichs, zum Teil dramatisch zurück. Zusätzlich werden durch den Bodenverbrauch wertvolle Agrarflächen für immer aus der Produktion genommen. „Es ist davon auszugehen, dass bei den meisten derzeit bedeutenden Feldfrüchten nach 2030 keine Autarkie mehr gewährleistet werden kann, selbst wenn alle derzeit verfügbaren Bodenressourcen in der Produktion verbleiben. Daher müssen wir klimafitte Böden erkennen und schützen und den Bodenverbrauch reduzieren. Denn Bodenschutz bedeutet Klimaschutz und Ernährungssicherung“, so der BEAT-Studienleiter Dr. Andreas Baumgarten von der AGES. „Für Österreich gehen wir von einem Rückgang der Erträge um bis zu 19 Prozent in den kommenden 40 Jahren aus. Im aktuell trockenen, pannonischen Klimaraum wird es die stärksten Ertragseinbußen geben. Im Marchfeld könnte sich die Ernte durch zunehmende Hitzetage und Trockenheit sogar um bis zu 50 Prozent verringern, bis 2060 droht eine Unterversorgung zum Beispiel bei Getreide, Mais oder Kartoffeln. Um die Versorgung Österreichs mit wertvollen Nahrungsmitteln zu sichern, müssen die besten Böden für die landwirtschaftliche Produktion bewahrt werden“, betont der Wissenschaftler: „Damit könnten 75 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Produktionskapazität in Österreich künftig gesichert werden.“ Die Forschungsergebnisse untermauern auch die langjährige Forderung nach einer Trendumkehr des nahezu ungebremst anhaltenden Bodenverbrauchs und der Definition von Zielen mit konkreten Zahlen: „Wenn wir weitertun wie bisher, werden wir Probleme bekommen. Jeden Tag gehen rund 12 Hektar wertvolle Agrarflächen durch Bauprojekte verloren. Daher schlagen wir vor, ertragreiche Flächen gegen Versiegelung zu schützen, damit sie in der landwirtschaftlichen Produktion bleiben“, so Baumgarten. Das auf Basis der Bodenqualität entwickelte Konzept zum Schutz der wertvollen landwirtschaftlichen Produktionsflächen ist somit ein wichtiges Instrument für die Raumplanung.

Lembacher an künftige Regierung: Sofortmaßnahmen für Lebensmittelversorgung setzen

„Die Klimaverschlechterung und der noch immer viel zu hohe Bodenverbrauchbedrohen unmittelbar unsere heimische Lebensmittelversorgung. Das ist ein massiver Raubbau auf Kosten der kommenden Generationen. Er macht uns abhängig von klimaschädlichen Importen oftmals minderwertiger Lebensmittel und vernichtet Arbeitsplätze in der Landwirtschaft. Daher muss Österreich beim Bodenverbrauch schleunigst auf die Bremse steigen und Klimaschutzmaßnahmen setzen“, fordert der Generalsekretär der Landwirtschaftskammer Österreich, Dipl.-Ing Ferdinand Lembacher. Er erwartet sich von der künftigen Regierung Sofortmaßnahmen zur Sicherstellung der heimischen Lebensmittelversorgung: „Es wäre längst an der Zeit, die Bewahrung der entscheidenden Grundlagen für die Lebensmittelversorgungssicherheit und somit auch den quantitativen Bodenschutz verbindlich festzuschreiben, etwa in einer 15a Bundesverfassungsgesetz-Vereinbarung. Zudem sollte die Raumordnungspolitik besser zwischen Bund, Ländern und Gemeinden koordiniert werden. Zusätzlich fordern wir die Ausweisung von landwirtschaftlichen Vorrangflächen, Bodenverbrauchsprüfungen als fixe Bestandteile von Umweltverträglichkeitsprüfungen und Anreize zur Revitalisierung von Ortskernen und zum Brachflächenrecycling. Bodenschutz bedeutet Versorgungssicherheit sowie Klima-, Biodiversitäts- und Naturgefahrenschutz, Bodenschutz ist somit Lebensschutz“, unterstreicht Lembacher. „Im Bundesverfassungsgesetz zur Nachhaltigkeit ist verankert, dass sich die Republik Österreich zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit hochqualitativen Lebensmitteln aus heimischer Produktion bekennt. Dies ist nur möglich, wenn der Landwirtschaft nicht Schritt für Schritt ihre Produktionsgrundlage durch Verbauung entzogen wird. Daher fordern wir die künftige Regierung auf, das in der Bundesverfassung festgeschriebene Staatsziel umgehend mit Leben zu erfüllen.“

Weinberger: Wertvollste Agrarflächen müssen geschützt werden, alles andere bedeutet Abhängigkeit

Die Landwirtschaft ist ein Opfer des Klimawandels, die bereits jetzt durch die zunehmenden Unwetterextreme die schmerzhaften Folgen zu spüren bekommt. Dabei kommt gerade diesem so wichtigen Sektor eine wichtige Rolle zu. Denn anders als andere Branchen kann sie CO2 in erheblichem Umfang in den Böden binden. Doch was passiert? „Wertvollste Agrarflächen werden zum Beispiel für den klimaschädlichen Straßenbau verbaut. So gingen in Österreich im Durchschnitt der letzten 10 Jahre landwirtschaftliche Flächen in der Größenordnung von knapp 20 Hektar pro Tag für immer verloren. Tag für Tag steigt somit die CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Die Hitzetage (Tage mit mehr als 30°C) nehmen insbesondere in den Städten zu. Tag für Tag geht durch die Verbauung der Böden wertvoller Wasserspeicher verloren und Überschwemmungsschäden nehmen zu. Tag für Tag sinkt durch die Verbauung der Selbstversorgungsgrad und Österreich wird zunehmend von Importen abhängig und somit verletzbar. Bei Kartoffeln haben wir mittlerweile nur mehr 80 Prozent Selbstversorgung und beim Brotgetreide aktuell rund 85 Prozent. Dabei ist der Boden essentiell zurLebensmittelproduktion. Um nicht einen kollektiven Selbstmord zu begehen, müssen wir - wie in der Schweiz - die produktivsten Böden einem absolutenBauverbot auferlegen, um die Ernährungssicherung der Bevölkerung auch in Zukunft sicherzustellen!“, so Weinberger, der auch im Recycling leerstehender Gewerbe-, Wohn- und Industrieimmobilien - laut Umweltbundesamt in der Größenordnung von 40.000 Hektar oder umgerechnet der Fläche der Stadt Wien - sowie im Ausbau der Schiene als flächen- und emissionssparende Alternative zum motorisierten Individualverkehr großes Potential im Kampf gegen den Klimawandel und den Bodenverbrauch sieht.

Wir dürfen heute keine Schulden machen und die nächste Generation dafür zahlen lassen

Faktum ist: Ackerland und Grünflächen sind durch die Erderwärmung unmittelbar betroffen oder durch die Verbauung für immer tot. „Bei der gegenwärtigen Situation in punkto Erderwärmung und Bodenverbrauch hängt ein Damoklesschwert über unserer autonomen Grundversorgung. Jede Österreicherin und jeder Österreicher ist nämlich der erste und größte Verlierer bei der gegenwärtigen Entwicklung. Wir werden es nicht mehr spüren. Unsere Kinder und Kindeskinder sind die Leidtragenden, wenn wir jetzt keine Kurskorrektur machen!“, so der abschließende gemeinsame Appell.

Quelle: Österreichische Hagelversicherung VVaG Dr. Mario Winkler, Landwirtschaftskammer Österreich Dr. Josef Siffert Pressesprecher, AGES - Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH Roland Achatz Fachbereich Risikokommunikation/ots  //  Fotocredit: ÖHV

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